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Prosit Neujahr!

Blick zurück und Blick nach vorn

Als ich klein war, betete meine Mutter jeden Abend vor dem Schlafengehen mit mir. Da war eine ganze Litanei an Gebeten fällig: Ein „Vaterunser“, ein „Gegrüßet seist Du, Maria“. Danach Fürbitten und ein Gebet für die Verstorbenen unserer Familie, dass ihnen das Ewige Licht auch leuchten möge. 

Auch sollte ich darüber nachdenken, ob ich ein reines Gewissen habe oder schlechte Gedanken und Handlungen mich vom Glauben abbringen könnten. 

Meistens fiel mir hierzu nichts ein. Meine kleinen Geheimnisse hatte ich schon. Aber ich fand, dass diese Dinge meine Mutter nichts angingen.

Es war ein Ritual, das Abend für Abend stattfand. Ich denke nicht, dass es mich zu einem besseren Menschen gemacht hat. Zumal ich für diese Litanei in meinem Bettchen knien und ehrfürchtig auf meine gefalteten Hände schauen musste.

Eins war es vor allem für mich im Vorschulalter: Saulangweilig. Jeden Abend dasselbe. Mindestens fünf Minuten oder länger.

Vor lauter Langeweile wich mein Blick immer wieder von den himmelwärts gerichteten Händen ab – hin zur Tapete, in deren Muster ich wahre Heldengeschichten hineininterpretierte. Bis der strenge Zeigefinger meiner Mutter den andächtigen Blick auf meine betenden Hände wieder einforderte.

Ein frommer Mensch bin ich rückblickend dadurch wohl nicht geworden. Aber der Seele meiner Mutter tat das Ritual wahrscheinlich gut – im Sinne eines ruhigen Gewissens, mich zu einem christlichen Kind der Kirche erzogen zu haben.

„Gewissenserforschungen“ sind heute nicht mehr meine Sache. Allerdings gibt es immer wieder Momente in meinem Leben, in denen ich in mich hineinspüre, ob ich im Großen und Ganzen ein sinnvolles Leben führe. Die Menschen wirklich wertschätze und mich für Gerechtigkeit und Frieden auch mit meinem ganzen Herzen einsetze. 

Heute ist wieder so ein Tag. Heute, am Beginn eines neuen Jahres. Und doch sind es keine „guten Vorsätze“. Gute Vorsätze sind meistens so flüchtig und vergänglich wie Schall und Rauch. Zumindest nach einigen Tagen oder Wochen. 

Heute nehme ich mir nur vor, Menschen und Natur zu ehren. Wald, Feld, Wiese und Garten mit Respekt und Freude zu begegnen. 

Mich bei der Erde zu bedanken, die uns Nahrung gibt und uns trägt. 

Beim Feuer, das uns wärmt und beseelt.

Beim Wasser, das uns Kraft und Gesundheit schenkt. 

Und bei der Luft, die uns atmen lässt und uns am Leben hält.

Vieles davon habe ich von Indianern und Schamanen aus Mexiko gelernt, die mit der Natur leben, sie ehren und schützen. 

Das möchte ich in diesem neuen Jahr zur täglichen Aufgabe machen: Tag für Tag mit Ehrfurcht und Respekt leben und arbeiten. 

Vielleicht ist es ja doch eine „Gewissenserforschung“, die mich zu dieser Erkenntnis führt. Aber eher andersherum: Mutter Natur lehrt uns die wahre Lebenskunst an jedem neuen Tag. Wir brauchen nur achtsam zu sein und auf ihre Botschaften zu hören. 

Ein gutes neues Jahr!

In Liebe und Wertschätzung für „Gaia“, unsere Mutter Erde, und für alle Menschen, die unserer Hilfe und unseres Mitgefühls bedürfen. 

In herzlicher Verbundenheit

Ihr Georg Rupp