Der röhrende Hirsch

An der Wand hängt der röhrende Hirsch. Auf Leinen. Im Großformat. Ein Vierzehnender, wenn ich mich nicht verzählt habe.

Herzlich willkommen im Kaffee & Kuchen“ steht gegenüber mit Kreide geschrieben. Das erschließt sich mir nicht ganz. Aber ich bin ja auch nicht von hier. Also nicht aus der Stadt, in der ich gerade einen Cappuccino bestellt habe.

Dieses Café ist nicht spektakulär. Zwölf kleine Tischchen für jeweils zwei Personen. Und oben auf der Empore eine Eckbank.

Aber das Spektakuläre ist ja auch nicht das, was unser Leben ausmacht. Das sind doch eher die tausend kleinen Sonnen, die Tag für Tag in unser Leben scheinen. 

„Leben ist Aufmerksamkeit“, sagte Hugo Kükelhaus vor langer Zeit. 

Aufmerksam ist auch der Student, der hier seine Gäste bedient. Und er lächelt, einfach so. Das fühlt sich sehr sympathisch an.

„Bis morgen“, verabschiedet sich eine ältere Dame. „Ja, bis morgen. Einen schönen Abend!“ antwortet der junge Mann lächelnd. Nur ein kleines Detail in seinem Arbeitsalltag. 

Heute ist Freitag. Wahrscheinlich ist vorlesungsfrei. Ich beobachte, wie seine Fröhlichkeit das urige Café erhellt. Es ist so klar wie Kloßbrühe: „Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.“ 

Ich sage dem Studenten, dass ich die Art, wie er lächelt, sympathisch finde. Da steigen seine Mundwinkel noch ein Stückchen weiter nach oben. – Wie leicht es doch ist, Beziehung zu leben, kommt mir in den Sinn. So unverkrampft und einfach in diesem Moment.

Mag der Hirsch an der Wand auch voll Inbrunst röhren – junge Menschen, die lächeln, erwärmen mein Herz. 

Was sagte Claudia doch vor einigen Jahren, als sie danach gefragt wurde, welchen Sinn sie ihrem Leben gibt: „Den Menschen ein Lächeln schenken!“ Und dabei strahlte sie aus ganzem Herzen. Auch dafür liebe ich sie. 

In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp