music notes

Was wir von Leonard Bernstein lernen können

Teil 1 

Ich schaue selten fern. Hauptsächlich die Nachrichten. Oder ARTE. Und „Titel, Thesen, Temperamente“. Kunst und Kultur sind mir wichtig. 

Einmal sah ich eher beiläufig ein Gespräch mit dem amerikanischen Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein, der die „West Side Story“ schrieb. Das Musical habe ich als Leinwandspektakel mehrere Male genossen. In den halbstarken 60er Jahren.

Leonard Bernstein interessierte mich. Und so hörte ich genau hin, als ein junger Reporter den Meister im Fernsehen interviewte. Er wollte wissen, ob Mister Bernstein in seiner Jugend auch mal daran gedacht hätte, etwas anderes zu werden als Komponist und Dirigent. Sinngemäß fragte er: „Haben Sie als Jugendlicher davon geträumt, einen anderen Beruf zu ergreifen?“ 

‚Etwa Postbote? Oder Lokomotivführer?‘, dachte ich für einen Moment. 

Leonard Bernstein schmunzelte, überlegte kurz – und antwortete: „Wissen Sie … ich habe mich immer an eine alte Weisheit aus dem Zen-Buddhismus gehalten. Sie lautet: 

„Wenn Du die Frage stellst, ist die Antwort …“ 

Er schwieg drei Sekunden. Dann sprach er in die erwartungsvolle Stille hinein … leise, aber betont … das entscheidende Wort: „Nein.“

„Wenn Du die Frage stellst, ist die Antwort nein!?“, wiederholte der Reporter irritiert. Es war ihm anzumerken – jede Nebelbank hätte er besser greifen können als diese Aussage.

Unbeirrt durch die spürbare Hilflosigkeit seines Gegenübers erläuterte Bernstein: „Man soll die Weisheiten aus dem Zen ja nicht interpretieren. Aber: Wer wahrhaft liebt, der fragt nicht nach Alternativen. Er liebt aus ganzem Herzen. Warum – und was – sollte er sich fragen?

Wer von einer Idee erfüllt ist, fragt sich nicht: Ist das richtig? Lohnt sich die Umsetzung? – Er kann nicht anders. Er ist beseelt. Er handelt aus voller Überzeugung. Mit großer Leidenschaft.“ Es hatte den Anschein, als blickte der Musiker für einen kurzen Moment nach innen. Dann zog er Bilanz. „Ich habe mich nie gefragt“, sprach er mit dem Hauch eines Lächelns. „Also war es ein guter und richtiger Weg.“

Ein halbes Jahr später starb Leonard Bernstein. Aber sein radikaler Gedanke „Wenn Du die Frage nach Alternativen stellst, ist die Antwort auf Dein Vorhaben: nein!“ blieb fest in meiner Erinnerung verankert. Als sein Vermächtnis sozusagen. 

Wenn Du Dich selbst also fragst, ob Du Dich für dieses oder doch für jenes entscheiden sollst, bist Du nicht hundertprozentig bei der Sache. Ist Dein Herz nicht erfüllt. Ist Deine Hingabe zu schwach. 

Das ist sicher zugespitzt formuliert. Aber möglicherweise doch eine Hilfe für mehr Klarheit. 

Wenn es also nicht in Dir brennt – lass besser die Finger davon. Es wird eine andere Gelegenheit kommen, bei der Du Dich nicht mehr fragst … 

Wird fortgesetzt 

In herzlicher Verbundenheit

Ihr Georg Rupp