Sind Sie schon mal gewandert? Von A nach B? Also auf ein Ziel hin? Oder sind Sie gewandert, um die Natur zu betrachten, den Hügel zu besteigen, den See zu umrunden?
Das Motiv des Wanderers ist eine schöne Metapher für Veränderung. Jeder Blick ist anders. Jeder Schritt ist neu. Jede Bewegung ist einmalig. Der Wanderer verlässt den alten Standort für eine neue Erfahrung. Er nimmt Abschied ohne sicher sein zu können, dass seine Reise genau nach seinen Plänen weiter geht. Manches bleibt unwägbar. Wer sein Haus verlässt, begibt sich ins Ungewisse.
Dazu sind wir geboren. Wir können nicht über Jahre im Uterus verharren. Dafür sind wir Menschen nicht geschaffen. Spätestens nach neun Monaten arbeiten wir uns durch einen engen Kanal. Werden durch Wehen gepresst. Und im Moment der Abnabelung müssen wir auf eigene Rechnung atmen.
Wir alle wachsen in die Veränderungen hinein. In Abschiede von vertrauten Situationen, Menschen und Dingen. Das bezeichnen Psychologen als die „Übergänge im Leben“.
In einer Filmkomödie mit dem Titel „Vater einer Tochter“ aus dem Jahr 1966 entlässt der Zahnarzt Dr. Stegemann seine einzige Tochter in die eigene Familiengründung. Als sie und ihr Mann nach Südafrika auswandern, und der Film am Bahnsteig zeigt, wie sie auf den Zug zum Flughafen warten, höre ich noch wie heute die Worte des Vaters (Georg Thomalla), die er in einer wehmütigen und melancholischen Art vor sich hinspricht: „Ja, ja … das Leben ist ein Abschiednehmen.“
‚Nee‘, fuhr es mir damals, mit 18 Jahren, durch den Kopf, ‚stimmt nur halb. Es ist ja immer auch ein neues Begrüßen.‘
Menschen verabschieden wir – und lernen neue kennen. Sachen schmeißen wir auf den Müll – und kaufen uns neue Dinge. Ideen verwerfen wir – und fördern neue zutage.
Wir sind geboren, um Erfahrungen zu machen auf diesem Lernplaneten. Uns auszuprobieren. Gegen unsere Ängste anzugehen. Mutig zu sein. Und, wenn wir uns dafür entscheiden, mit Hingabe und Leidenschaft zu leben.
Das Motiv des Wanderers kann uns dabei nützlich werden. Der Aufbruch aus der vertrauten Umgebung. Den Boden unter den Füßen spüren. Den Weg und die Erde. Das Laub und die Steine.
Wie die Reise des Helden, der Heldin, in den alten Sagen und Märchen.
Wird fortgesetzt
In herzlicher Verbundenheit
Ihr Georg Rupp