cozy armchair with small table placed near window in house

Fenster zum Hof

Teil 2

Als ich den ersten Teil dieser Geschichte schrieb, lagen noch einige Jahre Praxis vor mir. Heute verabschiede ich mich von meinem Therapieraum und vom Fenster zum Hof. Eine Epoche geht zu Ende. Seit 1980 habe ich mich hier mit Menschen getroffen, um sie in ihren vielfältigen Lebenskrisen zu begleiten. Als Therapeut, als „Fährmann“, und manchmal auch als Freund. Ich habe ihnen viel zu verdanken. Von allen habe ich lernen dürfen. Sie brachten mir das Leben näher. Und meine Aufgabe war, ihnen ihr Leben „schmackhaft“ zu machen. Selbst in Krisen nicht aufzugeben, sondern sie als Wegweiser zu verstehen. Um sagen zu können: „Immer wieder aufstehen! Immer wieder überzeugt sein: Es geht doch!“

Wie sagte der Kultregisseur Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) in Zeiten seiner tiefsten Depression: „Das Leben ist so kostbar. Sogar gerade jetzt!“

Mein verstorbener Mentor, der Psychoanalytiker Dr. Wolf Büntig untermauerte seine Idee von einem besseren Leben, indem er sagte: „Solange wir uns zusammenreißen und alles in den Griff kriegen wollen, halten wir unser Leben aus – statt es mit Hingabe und Leidenschaft zu leben.“ Wir sollten nichts „in den Griff kriegen“ wollen – denn dann halten wir unser Leben im Würgegriff gefangen.

Im Gegenteil: Wir sollten ein flexibles und achtsames Leben führen. Auf eine Art, die für jeden von uns stimmig ist. Lasst uns unsere eigene Lebensmelodie spielen. Und uns selbst liebevoll und freundschaftlich durch jeden Tag begleiten. Denn das Gegenteil wären Freudlosigkeit und Fremdbestimmung. Niedergang und Depression. Und das willst Du doch sicher auch nicht, oder?

An meinem Fenster zum Hof wird jetzt ein anderer Mensch stehen und in den kleinen Garten hinausschauen. Abschied und Neubeginn hängen zusammen. Und eine Türe, die sich schließt, gibt einer anderen die Chance, sich zu öffnen. So ist das mit den Lebensumbrüchen. Geben wir unserem Leben doch öfters die Möglichkeit, sich selbst zu feiern.

So, das war’s … auf der Liebfrauenstraße 12 in Krefeld. Nun bin ich nicht mehr über meine bisherige Praxis-Telefonnummer (02151/28241) erreichbar. Aber nach wie vor bin ich da, wenn man mich fragt. Solange meine Gesundheit hält, höre ich nicht auf. Ab jetzt berate ich in unserem Privathaus auf dem Josef-Brocker-Dyk 84 in Krefeld. Und erreichen können Sie mich unter 0177/7728241. Über Kasse abzurechnen … das geht allerdings nicht mehr.

Ein gutes, gesundes und achtsames neues Jahr.Wohl bekomm’s!

Ein Nachtrag: Wenn ich mich manchmal als „Fährmann“ bezeichne, dann aus folgendem Grund: Ein Fährmann begleitet die Menschen vom alten zum neuen Ufer. Das neue Ufer liegt – ganzheitlich betrachtet – im Inneren, in der Seele der Menschen. Ein Fährmann der Seele führt die Menschen nach innen, auf dass sie sich selbst erkennen und lieben lernen.

Und nicht vergessen: Humor ist Balsam für die Seele. Du brauchst keine rote Clownsnase, um fröhlich zu sein. Obwohl sie den meisten – zumindest zeitweise – gut zu Gesicht stehen würde …

Meine „Futter für die Seele“-Geschichten schreibe ich weiter. Sie sollen dazu anregen, Dir Gutes zu tun. Und Dich für Deine Gefühle zu öffnen. Mit Dir freundlich umzugehen. Und Dich manchmal auch zum Schmunzeln zu bringen.

Auf zu neuen Ufern!

In herzlicher Verbundenheit

Georg Rupp