Nichts erinnert an die kalte Jahreszeit. Heute brennt die Sonne vom wolkenlos blauen Himmel. Es ist Sommer. Hochsommer. Drei weiße und zwei gescheckte Hühner scharren mit ihren Zehen im ausgetrockneten Erdreich. Irgendwas zu picken findet sich immer. Auch der Hahn hält ein Auge auf seine Hennen. Außer seinem durchdringenden Platzhirsch-Kikeriki hat die Sonntagsstille alles im Griff.
Die Zeit dehnt sich gerade. Hat sich auf eine lange Weile eingestellt. ‚Das müssen wir Tempomacher ja erst einmal verkraften …‘. Der Gedanke rast mit High Speed durch meine Sinne. Entschleunigen ist nicht unser westliches Ding.
Wer die Beatles kannte, hat ihr Lied „Fool on the Hill“ noch im Ohr. Die Geschichte vom Narren oben auf dem Hügel, der seinen Alltag damit verbringt, auf die Welt da unten zu schauen. Er behält den Über-Blick über Hektik und Sorgen der „normalen“ Menschen in der „normalen“ Welt. Ich weiß nicht, was er von seiner hohen Position beobachtet hat. Vielleicht, wie viele von uns an ihrem „normalen“, gleichförmigen Leben verzweifeln. Dafür gibt es sogar einen halbwissenschaftlichen Begriff: Die „Normopathie“. Bedeutet: Unser Leiden am mittelmäßigen Leben. Am Leben ohne Höhen und Tiefen. Mit ständig sich ähnelnden Abläufen. Mit ewig sich wiederholenden Ängsten und Sorgen. Mit dem großen Schild vor der inneren Sackgasse, auf dem die hoffnungslosen Worte stehen: „No way out!“ Kein Ausweg. Immer dasselbe Gedankenkarussell. Immer dieselben verbauten Lösungsmöglichkeiten.
Im philosophischen Text von Paul McCartney macht sich die Welt da unten lustig über den Narren da oben. Die Leute zeigen mit ihren Fingern auf ihn. „Wie blöd kann man nur sein?!“, rufen sie sich zu. „Dieser Faulpelz!“ – Und: „Der da oben hat den Knall nicht gehört!“
Manche gehen auch achtlos weiter, um sich wieder ihrem Alltagskram zu widmen.
Der Narr aber ist – so lässt sich interpretieren – der Weiseste von Allen. Er sieht, wie die Sonne aufgeht. Wie sie tagsüber ihren Lauf am Himmel fortsetzt. Und am Abend versinkt. So versteht er in seinem Herzen, wie die Welt sich dreht…
Was soll da unsere Hektik?
Es ist Sommer. Wir müssen nichts beschleunigen. Auch wenn die drei weißen und die zwei gescheckten Hühner mit ihren Zehen einigen Staub aufwirbeln. Und der Hahn krakeelend auf sich aufmerksam macht.
Eine Lösung könnte doch sein, dass wir öfters unseren Verstand in die Hollywoodschaukel in unserem Herzen setzen. Entschleunigung hat noch nie geschadet. Denn unser Dasein besteht ja nicht nur aus Erfolgen und Niederlagen. Es besteht aus fünfhundert Millionen Atemzügen und drei Milliarden Herzschlägen.
Erfreuen wir uns einmal mehr an unserem Leben.
Es ist Sommer…
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp