„Ich heiße Maxi!“, sagt sie ganz offen und fragt: „Seid Ihr verheiratet?“ Neugierig oder einfach interessiert an den Gästen? Ich freue mich ja über offene Ohren und Herzen. Also antworte ich ihr lächelnd, dass nicht mehr viele Jahre bis zur Goldhochzeit fehlen. – Maxi hält kurz inne. „Meine Großeltern“, sagt sie nachdenklich, „haben ihre Goldhochzeit noch gefeiert. Aber Oma ist bald darauf gestorben.“ Für einen kurzen Moment schaut sie etwas wehmütig. Schnell wechselt sie das Thema: „Wenn Ihr Wünsche habt, fragt mich. Ich bin gerne für Euch da.“ – ‚Sehr aufmerksam‘, freue ich mich.
Claudia schaut auf, mir zugewandt: „Darauf trinken wir!“ Maxi strahlt. Über der Spree senkt sich die Sonne ganz sanft vom Himmel. So in sich ruhend. Mild, fast schon gemütlich. – Der Fluss murmelt vor sich hin. ‚Entschleunige‘, scheint er zu flüstern.
Das Publikum hier ist bunt gemischt. Chill-Schwestern und -Brüder, Rock-Fans … Übermorgen spielt Eric Clapton nicht weit von hier …, Studenten, Touris, lebenshungrige Feierleute. Krawattentypen ebenso wie Volltätowierte.
Feiern und zusammen sein mit den unterschiedlichsten Leuten … Das hat was! Über den eigenen Tellerrand schauen. Claudia hat Jahrzehnte mit jungen Menschen gearbeitet. „Sie sind eine Bereicherung“, sagt sie. Und: „Sie bringen frischen Wind ins Haus. Sprühende Lebendigkeit. So ansteckend und lebensfroh.“
Maxi kommt schnellen Schrittes. „Ihr wirkt noch so fit. Ihr schafft das mit der Goldhochzeit“, meint sie aufmunternd und nickt dazu, als wolle sie ihre Aussage doppelt unterstreichen.
Gut – es sah ja nicht immer danach aus. Wir hatten – wie alle – auch unsere Höhen und Tiefen. Doch unsere Krisen haben wir angenommen – und gemeistert. Gemeinsam.
Jetzt, am späten Abend, beleben die Brückenleuchten die Oberfläche des Wassers. Geben der Dämmerung einen lichtvollen Glanz. Spiegeln sich geheimnisvoll. Darunter ein undurchdringliches Grüngelb. Unergründbar. „Panta rhei“, sagte Heraklit. Alles fließt … ‚Ein ewiges Werden und Vergehen … so ist unser Leben‘, fühle ich in diesem Moment.
„Noch einen Nachtisch?“ – Claudia bestellt zur Feier des Tages frische Erdbeeren mit einer großen Kugel Vanilleeis. „Wollt Ihr einen zweiten Löffel?“ – Ich denke kurz nach. „Gut, kann nicht schaden.“ Maxi lächelt: „Ihr teilt? Das ist Liebe.“ – „Ja“, sage ich. „Claudia zwei Drittel, ich ein Drittel. Reine Vorsicht – wegen meines Diabetes.“ Der zweite Löffel kommt sofort.
Und ich frage mich: ‚Kann man einen Menschen so schnell in sein Herz schließen?‘ Und fühle: ‚Ja, kann man. Wenn alles stimmt.‘
Wie an diesem Frühsommerabend in Berlin. „Vielleicht schreibe ich über unsere Begegnung eine Geschichte“, sage ich unserer Vollblut-Kellnerin zum Abschied.
Wenn wir wiederkommen, werde ich ihr das Buch schenken. Maxi, einer vertrauten Seele. Am Flussufer der Spree. Als sich unsere Lebenswege kreuzten.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp