Die Innenstadt von Berlin ist groß und weit. Aber wenn Demos sind, kann es eng werden. Gerade strampeln 90 000 Radfahrer über die Hauptverkehrsstraßen. Fordern mehr Platz für Fahrräder. Da liegt unser Bus für eineinhalb Stunden fest. Direkt am Zoo.
Es sind die ersten Junitage im Jahr 2019. Corona ist noch kein Thema. Freiheiten sind selbstverständlich.
Auch an der Spree herrscht Trubel. Heute, am späten Nachmittag, bei 29 Grad. Da schlagen alle Herzen gleich. Jeder will das Leben feiern. Die ersten richtig warmen Tage. Haben wir uns doch verdient, oder? Man gönnt sich ja sonst nichts.
Frühes Abendessen? – Ja, klar, lass mal gucken … Wir finden zwei freie Plätze, draußen an der Oberbaumbrücke. Direkt am Geländer über dem Fluss. An der Reling. Dort, wohin die Sonne noch ohne Schatten reicht. Wo die Wärme dich noch ganz umhüllt. Wo du gar nicht reden willst, nur still genießen.
Unsere Blicke wandern … Das Wasser der Spree glitzert im Abendlicht. Funkelt und blinkt auf jeder noch so kleinen Welle. Ein leiser Tanz. Und ein ganz sanfter Hinweis, dich selbst loszulassen und dir endlich eine Auszeit zu nehmen.
Erst jetzt fallen uns die derben Holzbänke und -tische ins Auge. Ungehobelt, nur grob bearbeitet. Aus Planken zusammengeschustert. Und über die ganze Außengastronomie verteilt. Das Restaurant hier sieht aus wie ein Schiffsdeck.
„Habt Ihr Euch entschieden?“, fragt uns ein Mitglied der Besatzung, die freundliche Bedienung. Wir haben sie gar nicht kommen hören. Waren abgetaucht in die endlosen Augen des Wassers. ‚Fast einen Hauch zu kitschig‘, denke ich. ‚Aber auch super schön‘.
Spargel steht heute auf der Karte. Nicht nur die Original Berliner Currywurst. Wer hier arbeitet, trägt zwei gekreuzte Schwerter auf dem Rücken des T-Shirts. Das Logo der Berliner Piraten. Im Seeräuber-Restaurant an der East Side Gallery. Dieser historischen Berliner Mauer mit der Wandmalerei des „Bruderkusses“ zwischen Honecker und Breschnew. Die meisten Touristen lassen sich vor den beiden fotografieren. Fast scheint man das Aufatmen zu spüren, dass diese Zeiten lange vorbei sind. Andere wirken eher nachdenklich. Für manche hat es sicher auch nur noch einen folkloristischen Anstrich.
Doch Spargel? – Die junge Frau nimmt unsere Bestellung auf, kommt kurze Zeit später aber zurück und erkundigt sich, ob das auf eine gemeinsame Rechnung geht. Hier duzt man sich. Ich lächle. „Ja, gemeinsame Rechnung“, sage ich. Und ergänze: „Wir kennen uns ja schon sehr lange. Wir hatten noch nie getrennte Rechnungen.“
Wird fortgesetzt
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp