Reden wir mal über ein (scheinbar) altmodisches Thema: die Demut.
Auf den ersten Blick passt dieser verstaubte Begriff so gar nicht in unsere aufgeklärte Zeit. Erinnern wir uns: Zumindest die Älteren haben noch erfahren, dass Demut irgendetwas mit „unterwürfig“, vielleicht sogar mit „kriecherisch“, zu tun hat. Wie der „Diener“ und den „Knicks“, den man uns früher in unserer Erziehung noch beibrachte.
Zumindest hat es wohl nichts zu tun mit einem selbstbewussten, aufrechten Gang. Wir wollen doch nicht mehr so angepasst sein!
Ich selber hatte früher gar keinen Bezug zur Demut. Mit zwanzig Jahren war ich ein typischer „68er“. Habe eher die Faust gereckt, als Ja und Amen gesagt. War auf Widerstand gebürstet. Nicht bereit, die Dinge des Lebens aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. „NEIN“ wurde mein Lieblingswort. Demut? Was für Schwächlinge. – Ganz schön abgehoben …
Nun gut, der Lebensfluss hat viele Windungen und Kehren, und irgendwann begegnen wir der Demut ein zweites Mal. Denn Demut ist die Schwester der Dankbarkeit. Demut heißt auch: das Annehmen dessen, was ist. Auch: sich einordnen in die Struktur des Lebens.
Wer sich nämlich nicht einordnet, kann in sich verwahrlost, ohne Struktur bleiben.
Manche Menschen kennen nur den Mut, aber nicht die Demut. Der Mutige aber, der die Demut nicht kennt, kann tief fallen. Denn Mut ist die Höhe, der Aufstieg zu den „Göttern“. Die Demut ist die Erde, die Dich auffängt im Falle des Scheiterns. Sie gibt Dir Bodenhaftung. Wer die Demut nicht kennt, lebt ganz schön abgehoben. Der Absturz kann tief und hart sein. Wer aber den Mut mit der Demut paart, ist in sich geschützt. Demut ist die Fallschutzvorrichtung in sich selbst.
Demütig zu sein, fällt gerade in einer Ego-Gesellschaft sehr schwer. Hinzu kommt, dass wir das Leben oft als ungerecht und unbarmherzig empfinden. Manchmal kann das Leben hart, bisweilen sogar rücksichtslos und grausam sein.
Ja, das Leben ist ungerecht: Du läufst gegen Türen, an denen „ziehen“ steht. Du willst schnell noch die Schuhe zum Besohlen bringen und entdeckst das Schild „Heute geschlossen“. Du stehst zwei Stunden an der Vorkasse für das Eishockey-Endspiel, und dann heißt es „ausverkauft“. Du bewirbst Dich – und kommst in die engere Wahl. Dann erfährst Du: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir hätten auch Sie nehmen können, aber …“
Das Leben ist nicht gerecht. Es war nie gerecht.
Anzuerkennen, dass dieses Leben sich nie gerecht anfühlen wird, setzt ein hohes Maß an Demut voraus. Wenn Du aber Deinen Lebensweg akzeptierst, auch wenn Du gerade in einer schwierigen Phase angekommen bist, bleibst Du in Deiner Kraft. Und das ist allemal besser, als mit beiden Beinen fest in den Wolken zu stehen.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp