Bedingte Liebe – Teil II

Ein Briefwechsel über das Scheitern einer Beziehung.

Liebe Sandra, so ähnlich könnte es in Ihrer Ex-Freundin „abgelaufen“ sein. Was ein solcher Mensch meist nicht erkennt: Dass er in seiner eigenen Struktur sehr kompliziert ist. Vielleicht sind ihr auch ähnliche Muster vertraut: Möglicherweise liefen ihre früheren Partnerschaften in vergleichbarer Weise ab. Diese Muster sind in aller Regel in früher Kindheit geprägt worden. Durch „Modellverhalten“ der Bezugspersonen (Eltern), durch Verlassenheits- und Trennungserfahrungen, durch Enttäuschungen und Ängste. Kurz: Durch die eigene, sehr individuelle Lebensgeschichte.

Jetzt ist es, wie es ist. Manchen tröstet in einer solchen Situation der Gedanke: „Alles, was war, ist genauso gewesen.“ Darin steckt eine Form von Akzeptanz in das, was nicht mehr verändert werden kann, weil es Vergangenheit ist. Vergangenes gehört nicht mehr zur Gegenwart, und deshalb nicht zum Hier und Jetzt.

Es schmerzt – und gleichzeitig lebe ich im Jetzt. Es tut weh – und heute ist ein neuer Tag. Mein Herz trauert – und augenblicklich sehe ich die vielen Farben dieser Jahreszeit.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei aller Enttäuschung, aller Trauer, vielleicht auch Verzweiflung, die andere Seite der Münze wahrnehmen. Nämlich Mut und Zuversicht. Das Leben geht weiter – Tag für Tag. Und so schlecht ist dieses Leben nicht. Jede und jeder von uns hat die Chance, für sich das Beste daraus zu machen.

Auch Krise und Chance sind zwei Seiten einer Münze. Wie sollten wir uns entwickeln können, wenn wir nicht vorher in Schwierigkeiten „verwickelt“ waren? – Wir wachsen und reifen weniger an unseren Erfolgen. Wir wachsen und reifen besonders an unseren Herausforderungen, auch am eigenen Scheitern und Versagen.

Auch das macht Leben und Lebendigkeit aus: Dass wir Anteil haben an Licht und Schatten, an Höhen und Tiefen, an Glück und Unglück. Wie sollten wir als Menschen in diesem Leben „ganz und rund“ werden und (später) über den Dingen stehen, wenn wir nicht alle Seiten in uns vereinen?!

Der ehemalige Präsident der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, schrieb über die Hoffnung: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ 

Wenn Sie dieser kurzen Beziehung einen Sinn geben (zumindest können Sie aus alledem lernen…) und sich nicht verschließen, kann Hoffnung aufkeimen und etwas Neues entstehen. Wenn Sie sich für die Gegenwart öffnen, hat das Leben eine neue Chance.

Ihnen alles Gute und einen herzlichen Gruß

Georg Rupp