Ein Kollege erzählte mir einst von seiner Arbeit mit Krebspatienten. Er führte eine Patientin durch eine Phantasiereise. Gab ihr den Auftrag, sich vorzustellen, etwas von sich, das sie gerne abgeben würde, in ein Kästchen zu legen – dieses Kästchen dann mit auf eine Wanderung zu nehmen… über Wiesen, an einem Fluss vorbei, durch einen Wald bis zu einer offenen Lichtung. Oben auf dieser Lichtung saß vor einem Haus eine weise Frau.
Die Patientin sollte sich nun vorstellen, mit dem Kästchen in den Händen zu dieser weisen Person zu gehen, und ihr das Behältnis samt Inhalt zu überreichen. Die alte Frau verschwand damit in ihrem Haus.
Kurze Zeit später kam sie wieder heraus, übergab ihrerseits der Patientin ein verschlossenes Kästchen, ebenfalls mit einem unbekannten Inhalt.
Daraufhin machte sich die Patientin wieder auf den Weg zurück, durch den Wald, am Flussbett entlang… bis zum Ausgangspunkt, der grünen Wiese.
Anschließend fragte der Therapeut: „Was haben Sie vor dem Aufbruch in das Kästchen gelegt? Was wollten Sie von sich abgeben?“
„Meine Krebserkrankung, denn die wollte ich ja nicht mehr haben“, antwortete die Patientin.
„Und was war in dem Kästchen, das die alte, weise Frau Ihnen mit auf den Rückweg gab?“ fragte der Therapeut weiter.
„Seltsam“, meinte die Patientin, „sie hat mir meine Krebserkrankung zurückgegeben. Sie sagte zu mir: Diese Erkrankung ist Teil Deiner Persönlichkeit. Erst wenn Du sie annimmst, Dich mit ihr versöhnst, kannst Du geheilt werden. Wenn Du sie nicht annimmst, wirst Du ewig im Kampf stecken bleiben.“
Von diesem Moment an, als die Patientin sich entschied, die Krankheit zu akzeptieren, wurde sie selbst ihr bester Therapeut. Die Entscheidung, die Krankheit nicht mehr zu verleugnen oder zu verdrängen, setzte in ihr Energien frei. Damit gewann sie wieder die Klarheit über sich und ihr Leben.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp
Aus: „Das Sternum-Projekt: Die 7 Schlüssel für ein reiches Leben“,