Mut wächst mit dem Beginnen

Ein schönes Beispiel dafür, dass es keine Altersgrenze gibt, mehr Mut im Leben zu
entwickeln, zeigt folgende Geschichte:

Eine 75-jährige Dame, teilweise gelähmt und auf eine Gehhilfe angewiesen, war
Teilnehmerin an meiner experimentellen Untersuchung zur „Sozialen Kompetenz im Alter“. Zur Verbesserung der inneren Selbstgespräche und zum Aufbau von Mut und Selbstvertrauen hatte sie den Satz „Ich schaff es schon!“ durch verschiedene Methoden im Unterbewusstsein verankert.

Ein halbes Jahr nach Ende des Kurses sah ich sie wieder. Ich fragte sie: „Was macht Ihr Satz: Ich schaff es schon!?“

Darauf antwortete sie: „Der heißt nicht mehr „Ich schaff es schon!“ Der heißt nur noch „Schaffscho!“

„Was heißt denn „Schaffscho“?“

„Also,“ lächelte sie, „es war ein schöner Sommertag. Ich bin spazieren gegangen und habe mich an der Natur und an der Sonne erfreut. Auf einmal stellte ich fest:
Du bist ja so weit weg von Zuhause wie seit Jahren nicht mehr. Da bekam ich einen Schreck. Aber aus meinem Inneren kam der Satz: Ich schaff’ es schon. Diesen Satz hatte ich ja gelernt! Und im Nu hatte ich keine Angst mehr. Ja, und dann habe ich mir vorgestellt: Du bist eine alte Dampflokomotive! Aber die hat ja Kraft, die kann ja ziehen … und dann bin ich einfach „angefahren“ – so, wie die Dampflok immer schneller fährt: Ich schaff es schon, ich schaff es schon, ichschaffesschon, ichschaffschon, schaffscho, schaffscho, schaffscho …

Was soll ich Ihnen sagen – mir ist noch nie ein Weg so leicht gefallen wie dieser.“

Das „Schaffscho“ war also die Verkürzung des Ausgangssatzes, bei dem die ältere
Dame die Bewegung der Pleuelstangen, die die Räder der Dampflok verbinden, immer schneller nachahmte.

Ein halbes Jahr später traf ich sie zum letzten Mal. „Na, was macht denn Schaffscho?“  „Brauch‘ ich nicht mehr,“ antwortete sie verschmitzt, „ich mach‘ jetzt nur noch … so!“ Und dabei stieß sie ihre beiden Fäuste kurz nach vorn. Das war die verkürzte Bewegung der Pleuelstangen. Die ältere Dame hatte ihren Anker immer weiter reduziert auf eine kurze Armbewegung hin.

„Wissen Sie was, Herr Rupp, Sie können es mir glauben oder nicht … wenn ich so mache, also kurz beide Fäuste nach vorne stoße, bin ich topfit!“

Ich finde es einfach toll, wenn Menschen es sich selbst wert sind, immer weiter und
weiter an sich zu arbeiten, neue Dinge zu erfahren, und ihren Mut und Glauben
an sich selbst immer wieder aufs Neue zu erproben.

Diese experimentelle Untersuchung zum Thema „Soziale Kompetenz im Alter“ mit über hundert allein lebenden Frauen über 60 Jahren zeigte, dass auch ältere Menschen erstaunlich viel Selbsthilfepotential aktivieren können. Mehr Mut und gesteigertes Selbstvertrauen führten zu eindeutigen Verbesserungen. Sie litten weniger an Depressionen, knüpften leichter Kontakte, lernten „nein“ zu sagen und konnten sich im Alltag besser durchsetzen.

Aus: „Das Sternum Projekt: Die 7 Schlüssel für ein reiches Leben“ (ISBN: 978-3938270028).