white ruled paper lot on brown wooden surface

Wecke Deine Lebensfreude!

Übung in vier Schritten
Teil 1

Was bedeutet „Lebensfreude“ eigentlich? Freude am Leben, klar. Aber was meint das wirklich? 

Im Rheinland ist gerade die hohe Zeit des Karnevals. Jetzt, an den „drei tollen Tagen“. Aber nicht jeder Jeck, der eine Pappnase trägt, wird Lebensfreude fühlen. Karneval kann auch zur bloßen Pflicht verkommen, zum „Fröhlich-sein-Müssen“. Und nicht jeder Karnevalsscherz zielt auf die Freude und das Wohlgefühl aller ab. Manche fokussieren sich auch nur auf ihren sehnsüchtigen Wunsch nach ausgelassenem Vergnügen. 

Der österreichische Schriftsteller und Lehrer Ernst Ferstl sagt dazu: „Vergnügungssüchtige gehen überall hin – nur nicht in sich.“ Die oberflächliche Lust am Vergnügen kann letzten Endes sogar krank machen.

Was wir aus wissenschaftlichen Untersuchungen lernen konnten: Menschen, die keine Lebensfreude mehr empfinden, stecken häufig in gedanklichen „Datenautobahnen“ fest. In jahrzehntelang gewohnten Denk- und Verhaltensmustern.

Das zu ändern ist ein langwieriger Prozess, und setzt viel Trainingsarbeit voraus. Einerseits.

Andererseits gibt es eine kleine Übung, mit der Du Deine belastenden Gedanken ganz schnell positiv verändern kannst. Sie stammt aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) und geht so: 

Besorge Dir einen DIN A5-Block oder einen Stapel Karteikarten. Ich persönlich liebe den Stapel Karteikarten.

Dann schreibe einen kurzen Gedanken auf, an den Du glaubst und der Deine Lebensfreude blockiert. Zum Beispiel: „Ich darf das Leben nicht genießen!“ Oder: „Für jede Sekunde Glück muss ich tagelang büßen!“ Oder auch: „Bei meinen Eltern durfte ich gar nichts!“ 

Hast Du Deinen blockierenden Gedanken aufgeschrieben?

Dann folgt der nächste Schritt: Zähle jetzt die Buchstaben Deines Satzes zusammen. Und schreibe die Anzahl der Buchstaben unter Deinen Gedanken. 

In die nächste Zeile schreibst Du, in welcher Farbe Du den Satz hingeschrieben hast: Schwarz, blau, rot? 

Und dann? Nimmst Du Deinen Gedanken – und singst den Satz auf eine bekannte oder selbstgestrickte Melodie laut vor Dich hin. Auch schräg oder falsch oder atonal. 

So könntest Du den Gedanken: „Ich bin ja gar nichts wert!“ auf die karnevalistische Melodie singen: „Es ist noch Suppe da!“ – Wie schön!

Wobei wir wieder bei einem gesunden Maß an Lebensfreude sind … 

Humor ist nämlich die halbe Miete für Deine gruseligen Gedanken und Selbstanklagen. 

Sing Deinen Text auf eine beliebige Melodie. Trau Dich! Und Du spürst im nächsten Moment: „Mit diesem Scheiß-Satz hab ich nichts mehr zu tun.“ Und das in längstens zwei Minuten. 

Wie kommt das? Weil Du in den vier Zeilen auf Deiner Karte ständig die Aktivität Deiner beiden Gehirnhälften wechselst. Und der rasche Wechsel Deiner Rechts-Links-Aktivität im Hirn stärkt sofort die Lern- und Lösungsbereitschaft Deiner grauen Zellen. Also: Raus aus destruktiver und liebloser Selbstanklage – und rein in die Freude über Dich selbst und das Leben. 

Humor kann auch in der Therapie ein „Gamechanger“, ein Spielveränderer sein. Gerade deshalb lag in meiner Praxis über viele Jahre eine rote Clownsnase herum. Ich setzte sie während einer therapeutischen Sitzung nicht oft auf. Aber mit Sicherheit dann, wenn ich mich vom Patienten nicht ernstgenommen fühlte. Und ich mir selbst eine Freude machen wollte. Eine gute, alte, therapeutische Verwirrtechnik. Nicht nur am Rosenmontag.

Das ganze Jahr hindurch fahre ich mittlerweile eine rote Pappnase in meinem Auto spazieren. Für alle Fälle … 

Wird fortgesetzt

In herzlicher Verbundenheit

Ihr Georg Rupp