Vogelzwitschern. Es gibt wieder Vogelgezwitscher. Der Frühling hat Einzug gehalten, heute, an Ostern. Alle Gänseblümchen haben sich anscheinend abgesprochen. Sie strecken sich erfolgreich nach oben. Ich habe sie im Blick.
Wenn du in die Knie gehst und die Wiese aus der Schräge betrachtest, scheinen Grün und Weiß gut aufgeteilt. Möglicherweise überwiegt aus dieser Perspektive sogar das Weiß der Gänseblümchen. Die meisten überragen ja das Grün. Zumindest bis zum nächsten Rasenschnitt.
Aber sie geben nicht auf. Kommen wieder. Versuchen es erneut. Welche Resilienz! Welche Widerstandskraft!
Als Rainer, einer meiner Schulkameraden, in der vierten Klasse der Volksschule eine Mitschülerin verehrte, brachte er ihr einen Strauß voller selbst gepflückter Gänseblümchen mit. Ein Frühlingsgruß, der von Herzen kam. Ob er erhört wurde, weiß ich nicht mehr. Wir waren zehn Jahre jung, und die Zeiten waren anders.
In den Hochbeeten kehrt das Leben zurück.
Lang gezogene Kondensstreifen am hellblauen Himmel fransen aus. Schimmern an einer Stelle sogar in Regenbogenfarben. Die Brechungen des Lichts faszinieren.
Überall blüht und sprießt es.
Die großen orangefarbenen Kois im Gartenteich machen sich am Rand zu schaffen. Da fängt die Uferbegrünung an aufzuwachen. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich die Fische die Ostersonne auf die Haut herunterladen. Sie schwimmen ganz oben, liegen fast regungslos im Wasser. Kennen sie so etwas wie Wohlbehagen? Klar. Schon der Einzeller, die so oft besungene Amöbe, bewegt sich im Wasser zu der Stelle hin, an der ein Sonnenstrahl auf die Oberfläche trifft. Leben ist nicht nur Fortpflanzung, sondern auch auf Wohlbehagen ausgelegt.
Blüten treiben auf dem Wasser. Die Kirschbäume werfen ihre weißen Blüten vom Ast.
Und ich denke gerade daran, dass Mutter Natur Jahr für Jahr aufbricht. Es gehört zu ihrem Zyklus. Ganz selbstverständlich. – Warum nur haben wir Menschen so Angst vor dem Neuen? Vor Aufbruch und Veränderung? „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, sagte Wolf Biermann. Und jeder Tag ist ein neuer Anfang. Gerade jetzt im unaufhaltsamen Aufbruch des Frühlings.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp