Die wilden 1960er Jahre waren anfangs noch arg verklemmt. Damals liefen im Kino die Helga- und die Oswalt-Kolle-Filme. Die Nation musste aufgeklärt werden. Die Kommune 1 mit ihrer freien Liebe gründete sich erst im Januar 1967. Und die brauchte dem Anschein nach keine Aufklärungsfilme. Da hieß es nur: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“
Aufklären hat ja etwas mit „klären“ zu tun, also mit dem Thema: Klarheit in etwas Ungeklärtes bringen. Auch das Wetter kann aufklaren. Dann sehen wir das Himmelsblau und die Sonne wieder offen.
„Aufklären“ bedeutet aber auch: Klar werden, nicht mehr rätselhaft sein. Manche Menschen sind sich selbst ein Rätsel. Sie haben keine klare Sicht auf sich selbst. Sie stehen wie der Ochs vorm Berg, fischen im Trüben, sind vollkommen vernebelt, blicken nicht mehr durch. Oder haben diesen dicken, fetten Balken im Auge, der jede Sicht versperrt. Auch in Hinsicht auf das freie Denken. „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann“,sagte Francis Picabia, der spanische Maler.
Im alltäglichen Leben gibt es viele Produkte für mehr Klarheit. Aber wir können ja nicht einfach einen Glasreiniger benutzen, um wieder klar zu sehen. Und ein Gehirnreiniger ist noch nicht erfunden.
Aber seit Helga und Oswalt Kolle sehen wir klar. Zu dieser Aufklärung wesentlich beigetragen hat Mitte der 1960er Jahre die Rektorin einer katholischen Volksschule in unserer Stadt. Wie meine Schwägerin erzählte, sprach sie in der achten Klasse über die Vereinigung von Mann und Frau. Da wurde es auch höchste Eisenbahn, denn am Ende der achten Klasse starteten die jungen Menschen in ihre berufliche Ausbildung. Die Rektorin Frau Wohlsein (Name geändert) war ledig, streng katholisch und ziemlich verschroben. So bemühte sie sich, den Vorgang der Vereinigung mit einem österlichen Beispiel zu belegen.
Sie stand vor der Klasse und sagte: „Ihr müsst euch das so vorstellen: Wenn Mann und Frau zusammenkommen, dann ist das, als ob die Osterkerze ins Weihwasserbecken taucht.“ – Köstlich! So herum lässt sich das ja auch mal betrachten. Jetzt sehen wir doch alle gleich ein wenig klarer …
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp