Es war im Frühjahr 1967. Ich war 18 Jahre – und mangels Fleiß und geringem Interesse an den meisten Fächern ein ziemlich schlechter Schüler.
Während meine Klassenkameraden in den Startlöchern zum Abitur standen, ging ich auf Anraten meines Vaters zu einer Behörde. Ich hatte mir das Abitur nicht zugetraut.
Trotzdem fing ich an, im Stillen eine Liste zu erstellen, Plus- und Minuspunkte zu den Alternativen „Behörde“ und „Schule“ zu sammeln. Letzten Endes führten diese Bewertungen nach einer Woche des Hin- und Herüberlegens zu keinem klaren Ergebnis. Mein Kopf war unfähig, eindeutig Position zu beziehen. Ich haderte mit dieser Uneindeutigkeit, diesem Gespaltensein, dieser Zwickmühle: Auf der einen Seite die Angst, im Abitur zu versagen, mangels Begabung oder Fleiß – und andererseits die unattraktive und lähmende Vorstellung, bis zum 65. Lebensjahr zwischen verstaubten Akten mein Leben fristen zu müssen.
Diese Pattsituation, dieser Konflikt des Nicht-entscheiden-Könnens, dieses einengende Gefühl der Unklarheit und inneren Blockade, führte zur ersten depressiven Verstimmung meines Lebens. Ich zog mich nach Dienstende von allem zurück, ging kaum unter Menschen, zweifelte immer mehr an mir selbst und ertappte mich eines Tages sogar bei dem Wunsch, am liebsten noch einmal neu geboren zu werden – dann aber alles ganz anders anzufangen.
Wie also war der Sackgasse zu entrinnen?
Ich wusste mittlerweile: Der Verstand ist unfähig, mir die entscheidende Antwort zu geben. Ich konnte also nur auf mein Gefühl oder auf eine innere Stimme hoffen, von deren Existenz ich mit 18 Jahren aber nicht wirklich überzeugt war.
Die Umstände ermutigten mich zu einem Experiment. Es sollte nach Mitternacht geschehen, zumindest im Zustand einer aufkommenden Müdigkeit. Bis auf eine einzelne Kerze hatte ich das Licht gelöscht… und murmelte in diese bedächtige Stimmung hinein nur die zwei Worte: „Schule?… Behörde?“
Einfach dasitzen, nicht mehr denken, in keiner Erwartungshaltung… so vergingen etliche Minuten, bis ich etwas zu spüren begann. Ich fühlte ein Brennen, etwas Heißes in meinem Bauchraum. Dieses Brennen stieg auf, wie in einer schmalen Röhre – bis in meine Brustgegend hinein.
Der Verstand als außen stehender Beobachter dachte: Das ist ja fast so, als ob Magensäure hochsteigt, nur eben nicht ätzend, sondern heiß, ummantelt, geschützt – bis dieses Brennen in die Mitte meines Brustbeins angestiegen war.
Wird fortgesetzt…
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp