Im Mangel bleiben – oder in die Fülle gehen?

Eine Patientin war in einer schwierigen Lebenssituation. Ihr Ehemann hatte sich von ihr getrennt und sitzt nun alles aus – auch die finanzielle Regelung –, so dass eine außergerichtliche Einigung vor dem Scheidungstermin unmöglich erscheint. Neben dem Schmerz der Trennung ist es das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht, das an den Kräften zehrt. Wenn die andere Seite blockiert, ist ein Neuanfang nicht drin. – Wirklich nicht?

Verständlicherweise litt die Patientin unter dieser ungeklärten Situation: „Es muss doch ein Ende haben. Ich versuche alles, damit ich mein Leben wieder hinbekomme. Ich versuche, auf schmerzliche Weise loszulassen. Ich frage mich, wofür ich kämpfe, wenn alles kein Ende hat und ein Neuanfang nicht möglich ist.“

Ich schrieb ihr dazu: „Der Neuanfang kann nur von Ihnen ausgehen und nicht von äußeren Umständen. Die äußeren Umstände können wir – wie in Ihrem Fall – kaum oder gar nicht beeinflussen. Wenn Thomas (Name geändert) alles aussitzen will, ist das Ihnen gegenüber nicht fair, aber Sie können es nicht beeinflussen.

Was Sie aber beeinflussen können, ist eine eigene, klare innere Haltung, die eindeutig auf Aufbruch und Neuanfang steht. Die innere Haltung schafft einen Neuanfang, die Thomas nicht verhindern kann. Er kann rechtlich Verzögerungen herbeiführen, aber er kann einen gehenden, zielgerichteten Menschen nicht aufhalten. Ein Neuanfang ist jederzeit möglich, wenn Sie sich durch Tricks und Mätzchen nicht beeinflussen lassen.

Sobald Sie sich für Ihren eigenen Weg entschieden haben, für das, was Ihre innere Stimme Ihnen sagt, bekommt Ihr Leben wieder eine Fließgeschwindigkeit. Wenn Sie sich umdrehen und sich auf das Verhalten von Thomas fixieren, stagnieren Sie – und blockieren damit Ihr Leben. Wer sein Leben nach vorne spielt, kann von niemandem mehr aufgehalten werden.“

Der Neuanfang ist eine Angelegenheit des Herzens. Jeder Mensch hat einen freien Willen mit auf seinen Lebensweg bekommen. Jeder Mensch kann entscheiden, ob er bereit und willens ist, das Kaninchen vor der Schlange zu sein oder bereit und willens ist, der Schlange den Rücken zu kehren. Ich kann mich vom Problem hypnotisieren lassen – oder mich vom Problem lösen. Diese Wahl kann ich treffen.

Der größte Feind auf dem Weg in die innere Freiheit ist ein ’Ja, aber…’. Die ’Ja, aber’-Menschen wollen bei ihrer Meinung bleiben. Sie wollen die Anstrengung einer Veränderung, ihrer Veränderung, nicht aufbringen. Lieber bleiben sie bei ihrer Meinung, bellen den Mond an oder sitzen jammernd in der Stagnations-Ecke.

Es ist schwer und einfach zugleich: Schwer durch die Gewohnheit, die uns lähmt – und leicht durch neues Denken und Fühlen im Hier und Jetzt.

„Mach aus ‘Ja, aber…‘ ein ’Aber ja!‘ – und richte dich auf!“ – Das möchte ich meinen Patienten mit auf den Weg geben.

Ein neuer Weg entsteht beim Gehen. Im Herzen. Und im Geist. 

Ja, ein Neuanfang.
Ja, ich bin auf meinem Weg.
Ja, ich gehe in mein neues Leben.
Ja, mein Leben ist kostbar.
Ja, ich bin es mir wert.
Ja, die Türen stehen offen.
Ja, ich will, ich kann und ich werde.
Ja, ich bin frei und bereit.
Ja, ich vertraue mir und dem Leben.
Ja, das Licht begleitet mich überall hin.
Ja, ich bin gesegnet.
Ja, das Leben liebt mich.
Ja, ich bin ich – und ich bin wertvoll.
Ja, meine Zukunft – ich bin offen und bereit! 

Innere Kraft und Zuversicht sind der Schlüssel. Jede Krise ist eine Chance.

Was sich so banal anhört, ist einfach wahr: Alles dient der Reifung und dem Wachstum unserer Persönlichkeit. Auch wenn es noch nicht so aussieht – es geht voran. Aus dem Mangel in die Fülle. 

In herzlicher Verbundenheit

Georg Rupp