Warum man Erleuchtung nicht kaufen kann

Die Suche eines Clowns.

Clown Galli lernte ich 1995 auf Lanzarote kennen. Johannes Galli war Mitorganisator eines Kongresses über die „Menschenführung in das nächste Jahrtausend“. Wir beide hatten damals ein recht bewegtes Leben hinter uns. Heute bin ich überzeugt: Er, ich, und viele andere auch, waren weniger auf der Suche nach der richtigen Menschenführung, sondern suchten eher uns selber im aufkeimenden Esoterik-Boom. 

Johannes Galli erzählte in seiner lebendigen Art von den menschlichen Schattenseiten, die er liebevoll „Kellerkinder“ nannte. Vor allem spielte er die unterschiedlichsten Typen mit Hingabe und Humor. So, wie man es sich bei einem Clown nur vorstellen kann.

Kurz und gut: Ich fühlte mich irgendwie in der „Elite“ angekommen und nicht mehr weit entfernt vom Erleuchtungsweg. Zumindest aber als Suchender unter Suchenden am richtigen Ort.

Doch: Lässt sich Erleuchtung, Spirit, Transformation einkaufen? So nach dem Motto: „Komm, lass uns Bewusstsein shoppen gehen!“? 

20 Jahre später lese ich einen liebevoll provozierenden Bericht des mittlerweile schwer erkrankten Clowns, der in seiner letzten Lebensphase mit dem Finger auf sich zeigt, wenn er selbstironisch sagt: „Ich hab alles versucht!…“ Galli: „Bin ich nicht in indischen Ashrams herumgetorkelt? Habe ich mich nicht in chinesischen Tempeln blamiert? Habe ich nicht auf dem Machu Picchu meditiert und wurde vom Wärter vertrieben? Habe ich nicht in Toronto mit Neo-Hexen Chants gesungen, die ich nicht verstanden habe? Habe ich nicht in Mexiko Kaktus gefressen, bis mir speiübel wurde? Habe ich nicht im Schwarzwald mit einem deutschen Schamanen Bäume umarmt und dabei eine Allergie davon getragen? Habe ich nicht bei den kanadischen Indianern in Schwitzhütten herumgesessen und in Steinkreisen Fliegen verscheucht? Habe ich nicht auf Hawaii in Kahuna-Kursen versucht, Fische mit bloßen Händen zu fangen, und keinen einzigen auch nur gesehen? Habe ich nicht in Esalen, San Francisco, teure Kurse gebucht, die dann nicht stattfanden? – Mensch, ich war doch überall dabei! Ich hab alles versucht! Getrieben war ich von der Hoffnung, dass die nächste Methode endlich mich zur Erleuchtung transformieren würde.

Und immer lief’s nach dem gleichen Schema ab. Erstens: Anreisen und Schnauze halten. Zweitens: Herausfinden, wie der Hase läuft. Drittens: Einarbeiten in die Sprüche des Meisters. Viertens: Fachspezifische Begriffe auswendig lernen. Fünftens: Neuankömmlinge belehren. Sechstens: Angeben bis zum Abwinken. Siebtens: Abreisen und Schnauze halten. Achtens: Euphorie, endlich wieder in der Freiheit zu sein. Neuntens: Betrübtes Feststellen der Wirkungslosigkeit und Beginn der Suche nach dem nächsten Erleuchtungsweg.

Und, hat’s was geholfen? Gar nix hat’s geholfen! Innen war ich noch derselbe Depp wie eh und je!“ (Ausschnitt aus dem Beitrag: „Gehen wir Spirit shoppen!“ von Johannes Galli, erschienen in: connection spirit, Ausgabe 3-4/2015)

Danke, lieber Johannes. Es wurde Zeit für Deine liebevolle Provokation über den „Erleuchtungsweg für Deppen“. Schluss mit dem Guru-Hopping. Schluss damit, sich die Erleuchtung von Büchern oder Kursen zu erhoffen. Natürlich heißt das nicht, dass es sinnlos war, die verrücktesten Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten gemacht zu haben. Sie haben uns weiter gebracht, auch wenn sie manchmal nur in die nächste Sackgasse führten.

Ganz klar: Wenn ich alle Aufträge und Übungen der unterschiedlichsten Gurus, deren Workshops ich besucht und deren Bücher ich gelesen habe, im Alltag umgesetzt hätte – ich wäre 24 Stunden täglich und mehr damit beschäftigt gewesen, die Erleuchtung zu trainieren.

Und doch, Johannes, hatte vieles seinen Sinn. Wir haben gelernt, was nicht unser Eigenes ist. Was uns verfremdet. Was uns nicht so sein lässt, wie es unser tiefstes Inneres weiß. Sackgassen lehren die Umkehr. Letzten Endes auch die Demut. 

Du schreibst in Deinem Beitrag: „Nur wer den Hauch des Todes spürt, hat die Kraft, die Wahrheit zu ertragen.“ Angesichts der Endlichkeit des Lebens soll die Erleuchtung, die Transformation möglichst schnell eintreten. Man hat ja nicht viel Zeit. Es könnte ja bald zu spät sein. Und so werden schamanische Rituale durchgeführt, es wird gependelt, die „Walla-Walla-Lichtsäulen-Esoterik“ bedient, durchs Feuer gelaufen, in Stille gesessen und der Geist entleert… möglichst von allem etwas, damit wir den Königsweg auch nicht verpassen.

Die Suche nach sich selbst, die Suche nach der inneren Wahrheit, nach dem Frieden der Seele, kennt aber keine äußeren Wege. Wir können noch so viele Bücher lesen, noch so viele Kurse besuchen – die Wahrheit gibt es nur in uns, in unserer Mitte. Denn im Zentrum der Liebe ist alles vorhanden. Und das heißt: Auch in Dir, in mir, in uns allen, ist alles vorhanden.

Wir können überall hingeführt werden, an jeden Ort dieser Erde. Wir können Stimmungen vorfinden, die uns die Berührung mit uns selber erleichtern. Wir können Atmosphären schaffen, in denen uns das eher gelingt. Doch die Weisheit des Herzens ist nicht hier oder dort. Sie ist überall. Denn es gibt sie nur in uns selbst.

In herzlicher Verbundenheit

Georg Rupp