Stell Dir vor, Du sitzt in einer lauen Sommernacht an einem Strand. Über Dir der leuchtende Sternenhimmel.
Und während Du da sitzt und schaust, entdeckst Du am Nachthimmel einen Stern, der heller leuchtet als die anderen. Während Du schaust, wird die Intensität, mit der er sein Licht verbreitet, immer größer.
Du spürst – soweit er von Dir auch entfernt sein mag –, dass er Dir mit seinem Strahlen immer näher kommt. Ja, jetzt strahlt er mitten in Dein Herz.
In dieser Verbindung schenkt er Dir die Kraft und erleuchtet Dein verborgenes Inneres.
Am nächsten Morgen machst Du Dich auf eine Wanderung. Es zieht Dich in die Nähe eines Berges. Du gehst über sehr viel Geröll… Deine Füße spüren jeden Stein, auf den Du trittst. Trotz dieser Schwierigkeiten steigst Du weiter den Berg hinauf bis zu einer Ebene unterhalb des Gipfels. Du bist jetzt auf einer Wiese angekommen und legst eine Pause ein.
Du siehst Blüten, die sich sanft im Wind bewegen. Nicht weit entfernt nimmst Du raue und verdorrte Pflanzen und Gewächse wahr.
Gewachsenes und Zerfallenes an diesem Berg, auf dessen Weg zum Gipfel Du Dich jetzt gerade
befindest.
Auf einmal wird Deine Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt, was Du hier, an dieser Stelle Deiner Wanderung, nicht erwartet hast: Etwas, das sich anhört, als ob ein Kind ganz leise, fast stumm, vor sich hin leidet und weint. Du gehst diesem leisen Wimmern nach – und jetzt siehst Du dieses Kind. Ängstlich und traurig, eingewickelt in eine Decke. Unter seinen Windeln trägt es viele Verwundungen, Narben und Verletzungen. Wie oft schon ist es lieblos behandelt worden, hat Entbehrungen erlitten, keine Geborgenheit verspürt.
Und wie Du es betrachtest, wird Dir bewusst, dass dieses Wesen Dein eigenes inneres verletztes Kind ist. Das innere Kind in Dir, das Du so oft nicht wahrgenommen hast, weil Dir die Kraft fehlte und Du lieber weggesehen hast, um Dein eigenes Leid nicht wahrnehmen zu müssen.
Das innere Kind in Dir, das Du so oft nicht wahrgenommen hast, weil Dir die Kraft fehlte und Du lieber weggesehen hast, um Dein eigenes Leid nicht wahrnehmen zu müssen.
Jetzt aber spürst Du wieder die Verbindung zum Stern, der in jener Nacht am leuchtenden Sternenhimmel immer heller strahlte und Dein Herz zum Leuchten brachte.
Berührt von diesem inneren Leuchten traust Du Dich jetzt, dieses verletzte innere Kind behutsam in Deine Arme zu schließen.
Du trägst es auf Deinen Händen zu einer sprudelnden Quelle ganz in der Nähe. Du spürst Deine
Bereitschaft, für dieses innere Kind die Verantwortung zu übernehmen. Aus der Quelle sprudelt heilendes Wasser, das Du nun über alle seine Verletzungen träufelst.
Es schaut fast ein wenig erstaunt, und Du empfindest intensiv, wie Du ab jetzt Dein inneres Kind nähren kannst. Ihr werdet nun miteinander den weiteren Lebensweg bestreiten. Du begleitest Dein inneres Kind zu einem kleinen Bächlein, das aus der Heilquelle entspringt und in kleinen Kaskaden bergabwärts fließt.
Mit leichtem Herzen geht Ihr zu zweit den Weg vom Berg wieder ins Tal zurück.
Geh eine Weile diesem Gefühl nach, Dein ängstliches, verletztes inneres Kind entdeckt, angenommen und geheilt zu haben. Spüre eine Zeitlang hinein, welche Gefühle Dich auf diesem Weg begleiten – zu dieser Phase Deiner Reise, ganz im Hier und Jetzt.
Und während Ihr zwei gemeinsam und unzertrennlich wieder am Ausgangspunkt, am Strand, angekommen seid, sendest Du einen dankbaren Gruß zu jenem Stern, der immer heller geleuchtet hat, bis er seine Strahlen mitten in Dein Herz aussenden konnte.
Das Bächlein aber ergießt sich in die Weite des Meeres und nimmt den Rest aller Verwundungen, Narben und Verletzungen mit sich. Alles Heilsame durchströmt Deine Zellen und lässt tiefen inneren Frieden in Körper, Geist und Seele einkehren. Jetzt und für alle Zeit.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp
Imaginationsübung nach einer Idee von Dieter Hoff (Diplom-Psychologe, Münster)