old letters in the envelope

Liebesbriefe

Teil 1

Vor einiger Zeit las ich in einer Statistik, dass sich Paare durchschnittlich nur sieben bis zehn Minuten am Tag unterhalten. Das ist auch nicht länger als ein hartgekochtes Ei benötigt.

Gut, die meisten sehen sich ja nicht rund um die Uhr. Und vor dem Fernseher schaut man sich auch nicht in die Augen. Höchstens mal kurz, wenn gefragt wird, ob zwei Flaschen Bier aus dem Keller geholt werden sollen. Sonst bestimmt der Flachbildschirm die Richtung (Anmerkung von Claudia: „Besonders, wenn der Mann Fußball schaut …“). Mea culpa!  

Aber mal anders herum gedacht: Wenn wir schon zu wenig miteinander ins Gespräch kommen, wäre das nicht ein schöner Anlass, sich gegenseitig einen Brief zu schreiben? Muss ja nicht lang sein. Oder wenigstens eine Karte. Oder einen kleinen Zettel. Irgendetwas mit der Hand. Durch die Hand aufs Papier. Da fließen und schwingen die Gefühle besser mit als auf der Tastatur des PCs. Die Hand ist wichtig. Sie ist das Werkzeug des Herzens. Außerdem ist es ein individuelles Geschenk, einen Brief zu schreiben. Das zeigt dem Anderen: Du bist etwas ganz Besonderes für mich.

Schreiben wir uns doch wieder mal ein paar Zeilen. Zum Beispiel: Wie sehe ich Dich? Was macht Dich für mich so einzigartig? Wenn ich tief in mich hineinfühle: Was bist Du für ein Mensch? Was liebe ich an Dir?

Dein Aussehen? Deine Figur? Deine Heiterkeit? Das Gefühl der Sicherheit, das Du mir vermittelst? Deinen Humor? Deine soziale und körperliche Nähe? Das Väterliche in Dir? Das Mütterliche in Dir? Deine verrückten Ideen? Deine Ernsthaftigkeit? Deine Verantwortung für mich und die Familie? Deinen Trost? Den Tiefgang Deiner Seele? Die Verbundenheit? Dein Lachen? Dein großes Herz? Dein Mitgefühl? Alles das, was mein und unser Leben bunt macht? 

Wenn Du das schreibst, zeigst Du Deinem Partner, wie wichtig er für Dich ist. Das entspricht auch sehr unserem Grundbedürfnis, wahrgenommen, gesehen, beachtet und berührt zu werden. 

Vor einigen Jahren feierten Claudia und ich unseren 135. Geburtstag (65 + 70) unter dem Motto „Die Schöne und das Biest“. Wer die Rolle des Biests dabei übernahm, lag natürlich auf der Hand. 

Vor unserer Einladung sammelten wir unsere Gedanken über den Partner, tauschten uns aus, spürten uns in den Gleichklang und die Unterschiedlichkeiten hinein – und lernten einander noch besser und beseelter kennen. 

Als wir dieses kleine gemeinsame „Projekt“ beendet hatten, stand in der Einladung an alle „wertgeschätzten liebenswerten Menschen, Philosophen, schrägen Vögel, Paukenschläger und Lebenskünstler“ über uns zu lesen: 

Wird fortgesetzt

In herzlicher Verbundenheit

Ihr Georg Rupp