Teil 1
Bob Dylan sang es („May you stay forever young“). Das war 1974. Und zehn Jahre später auch die deutsche Band Alphaville mit ihrem Sänger und Songwriter Marian Gold („I want to be forever young“).
„Forever young“ hieß auch das Erfolgsprogramm des Mediziners Dr. Ulrich Strunz, der seit dem Jahr 1999 viele Bücher zu diesem Thema schrieb und zu zahlreichen Gesundheits-Seminaren einlud.
Ja, da stellt sich doch die Frage:
Was denkst Du über das Thema „Für immer jung“?
Ist es erstrebenswert, für immer jung zu bleiben? Geht das überhaupt? Oder laufen die „für immer Jungen“ nur vor den Herausforderungen ihres Lebens davon?
Nicht wenige Menschen zeigen einen inneren Widerstand gegen „runde“ Geburtstage. – Als ich 40 wurde, also „nullte“, sprach ich davon, dass ich mich noch genauso jung fühlte wie gestern – mit 39 Jahren. Komisch … Das einzige Mal. Ich hatte damals wohl Angst vor der Midlife-Crisis. Vor der unbekannten „Lebensmitte“. Vor den unkontrollierbaren Veränderungen an Körper, Geist und Seele. Nach dem „Bergfest“ des Lebens.
In den späten 1980er-Jahren lernte ich in meiner Praxis eine zierliche, sehr aktive Patientin kennen. Sie vergötterte ihren Star Elvis Presley. Der starb allerdings schon 1977 mit 42 Jahren. Für sie lebte er jedoch als Legende weiter.
Das außergewöhnlichste an ihrer Liebe war vielleicht, dass ihr 70. Geburtstag schon hinter ihr lag. Mit ihrem Rockabilly-Kleid aus den 1950er-Jahren war sie voll aus der Zeit gefallen.
Und jetzt stand auch noch eine Operation an. „Ohne meine Elvis-Handtasche gehe ich nicht in den OP-Saal!“ Ihre Augen blitzten. So viel war sicher: Elvis musste sie beschützen.
Wie auch immer … Sie überzeugte tatsächlich ihre Ärzte. Und durfte ihre Tasche mit seinem Portrait in den OP-Saal mitnehmen. Desinfiziert und eingeschweißt.
Egal. Alles ging gut. „Solange ich Elvis an meiner Seite habe, bleibe ich jung!“, sagte sie später. – Voller Überzeugung? Ich weiß es nicht. Vielleicht eher als Mutmacher. Trotz ihrer 70 Jahre hielt sie an früheren Lebensabschnitten fest.
„Forever young?“ … Mir kommt es so vor, als wollten viele Menschen den Fluss ihres Lebens aufhalten. Mauern bauen gegen das Älterwerden. „Anti-Aging“ als Parole verkünden.
Da halte ich es doch eher mit der Aussage: „Dieser Tag ist der erste Tag Deines restlichen Lebens!“ Dafür gibt es bei mir einen Hintergrund: Es war 1967 – und ich war 19 Jahre jung.
Was mir in einer tiefgreifenden Berufs- und Lebenskrise zur Hilfe kam, war ein Poster, das ich bereits zwei Jahre zuvor an der Innentür meines kleinen Bades im Haus meiner Eltern befestigt hatte. Darauf stand dieser Spruch, eine alte Indianer-Weisheit, deren Sinngehalt mir ab diesem Morgen immer tiefer einleuchtete: „This day is the first day of the rest of your life.“
Ab diesem Zeitpunkt nahm ich mir vor, jeden Tag als den Beginn eines neuen Lebens zu betrachten.
So wurde jeder Tag – vom Rest meines Lebens – auf einen Schlag ganz wertvoll. Unwiederbringlich. Und kostbar. Tag für Tag – und Stunde für Stunde.
Ich will nicht für immer jung sein und bleiben. Ich bin 77 – und habe noch jede Menge Pläne.
Und einen Spruch auf das Leben loslassen, möchte ich auch. Auf dieses tolle, spannende, verrückte Leben. Ihr kennt den Satz: „Carpe diem!“ – Genieße den Tag! – Heute.
Wird fortgesetzt
In herzlicher Verbundenheit
Ihr Georg Rupp