Die Chefredakteurin der Zeitschrift „Philosophie-Magazin“, Svenja Flaßpöhler, schreibt in einem Editorial (Philosophie-Magazin, Nr. 01/2023): „Als Kind habe ich mich manchmal im Körbchen zum Hund gelegt.“ Sie fährt fort: „Sein warmes Fell hat mich über meine Einsamkeit hinweg getröstet, die entstand, wenn die Außenwelt keinen Zugang zu meinem Inneren fand und mein Inneres keinen Weg nach außen. Als wenn da eine Scheibe wäre, eine unsichtbare Grenze. Warum, so dachte ich, während ich den Hund hinter seinen Ohren kraulte und seinen Tierduft in meine Nase sog, versteht mich niemand!“
Jeder Mensch möchte verstanden werden. Schon das Baby möchte so verstanden und angenommen werden, wie es sich selbst fühlt. Oft behindern die Vorstellungen der Eltern (oder der Gesellschaft) die freie Entfaltung des Kindes.
Als ich dreieinhalb Jahre jung war, schickten mich meine Eltern in einen konfessionellen Kindergarten, der einem Kloster angeschlossen war und von Nonnen geleitet wurde. Sechs Jahre nach Kriegsende. Das war 1951. Ihre Ordenstracht war beeindruckend. Ihre Kopfbedeckung voluminös. Für kleine Kinder respekt-, vielleicht sogar furchteinflößend. Ich kann mich erinnern, dass ich mich von Anfang an seelisch ausgeliefert fühlte. Abhängig von der Strenge oder Warmherzigkeit der Nonnen. Die Strenge dominierte.
Rückwirkend kann ich nur feststellen: Der kindliche Wille sollte gebrochen werden. „Man darf Kindern nicht zeigen, dass man sie liebt. Sonst verweichlichen sie und finden sich im Lebenskampf nicht zurecht.“ So war die gängige Meinung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Kinderarzt Dr. med. Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808 – 1861, der Namensgeber der Schrebergärten) diese Meinung in die deutsche Gesellschaft einführte.
1949, als die Volkshochschulen wieder geöffnet hatten, hörte meine Mutter den Vortrag eines Psychologen über Kindererziehung, der genau diese Meinung vertrat: Eltern sollen ihren Kindern nicht zeigen, dass sie sie lieben!
Und jetzt, in diesem Nonnenkloster, die doppelte „Dröhnung“: Wer von uns Kindern in den Ohren der Nonnen zu laut war, bekam ein schwarzes Leukoplast-Band auf den Mund geklebt. Wer in den Augen der Nonnen zu aktiv herumlief, wurde mit einem Tau am Stuhl festgebunden.
Meine Rettung: Ich habe nicht resigniert, sondern Widerstand geleistet und meinen Eltern von diesem religiösen Sadismus berichtet. Sie reagierten sofort und meldeten mich in einem weltlichen Kindergarten an.
Sich nicht verstanden zu fühlen, kann total einsam machen. Oder Widerstandskräfte wecken. Ich habe gelernt, mich im Widerstand sauwohl zu fühlen. Reibung weckt die Lebensgeister. Ich bin dankbar für alle Menschen, die versucht haben, mein Leben einzuengen und zu beschneiden. Ich habe viel von ihnen gelernt. Vor allem, was ich nicht mehr mit mir machen lasse.
Daraus wächst die Erkenntnis: Das Leben kann gelingen – trotz alledem! Die Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler legte sich als Kind zum Cockerspaniel der Familie, um Trost in ihrer Einsamkeit zu finden.
Linus von den Peanuts liebte seine Kuscheldecke.
Wir anderen haben alles in uns, was uns im Erwachsenenleben helfen kann: Unsere Selbstfürsorge. Unser Selbstmitgefühl. Wir alle sind es wert, uns selbst sinnbildlich in den Arm zu nehmen und uns zu wärmen. Denn wer steht uns näher als wir selbst?
Vielleicht probierst Du es einmal mit der nährenden Überzeugung, dem Satz: „Ich bin Liebe – alles umfassende Liebe.“ 3 x täglich, jeweils 3 Minuten. Wie ein Ritual, ein Mantra. Es ist und bleibt ein „warmes Fell“ für unsere Seele.
Denn das Leben kann gelingen – trotz alledem!
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp