„All you need is love“, sang die Popband „The Beatles“ im Jahr 1967. Alles, was wir brauchen, ist Liebe! Wenn wir uns die Welt aber anschauen, vor allem die vielen liebesunfähigen Menschen, sind wir offenbar nicht fähig dazu. Und wenn die Politik versagt, führen wir Kriege. Im Namen Gottes oder im Namen der Liebe. So wird vermutet, dass die Beatles mit diesem Lied einen Protestsong gegen den damaligen Krieg in Vietnam geschrieben haben.
Liebe gibt es nicht umsonst. Sie entwickelt sich nicht aus sich selbst heraus. Wir alle sind aufgerufen, an der Liebe und unseren Liebesbeziehungen zu arbeiten.
Dazu schreibt mein Kollege, der Paartherapeut Oskar Holzberg in der Brigitte (Ausgabe Nr. 14 vom 22.06.2022) über Paarbeziehungen: „Wenn wir nicht lernen, uns auseinanderzusetzen, stirbt die Liebe an unbewältigten Konflikten. Wenn wir nicht lernen, Nähe herzustellen, stirbt die Liebe an Gleichgültigkeit. Wenn wir nicht lernen zu vertrauen und vertrauenswürdig zu handeln, stirbt die Liebe an Angst. Wenn wir nicht lernen zu verzeihen und uns zu versöhnen, stirbt die Liebe an unserer Unvollkommenheit. Wenn wir unsere Unterschiedlichkeit nicht anerkennen, stirbt die Liebe an Harmoniesucht. Und wenn wir nicht verstehen, dass das Gefühl von Liebe allein nicht ausreicht, dann stirbt die Liebe an unseren falschen Vorstellungen. Und das wollten die Beatles doch ganz bestimmt nicht, damals, 1967 im psychedelisch-utopischen Sommer der Liebe, als sie sangen: „ … it’s easy.“
In meinem Buch „Das Sternum-Projekt: Die 7 Schlüssel für ein reiches Leben“ schrieb ich im Kapitel „Das Maß der Liebe“ folgende Gedankengänge nieder:
Eine Brücke wird von zwei Pfeilern getragen. Was würde passieren, wenn diese zwei Pfeiler, die die Brücke stützen, auf einer Seite eng zusammenstehen würden, während auf der anderen Seite kein Pfeiler existierte? Was würde geschehen, wenn alle tragenden Elemente des Hauses auf einer Seite vorhanden wären – und auf der anderen nicht. Was wäre die Folge, wenn alle vier Räder Deines Autos nur auf einer Seite angebracht wären?
Zusammenbruch, Einsturz, Fahruntüchtigkeit.
Eine gute Partnerschaft verhält sich wie zwei Pfeiler einer Brücke. Jeder Partner steht für sich, ist Unikat, ist einzigartig, ist selbstständiges Individuum. Die Partnerschaft kann sich nur Raum geben, Luft lassen, tragfähig sein, wenn beide Pfeiler nicht zu eng beieinander stehen. Beide Menschen sind getrennt – und doch miteinander verbunden, denn beide haben ihre gemeinsame Brücke gebaut.
Eine Partnerschaft, die das richtige Maß an Nähe und Distanz berücksichtigt, ist tragfähig. So steht keiner im Schatten des anderen. So kann jeder sich selbst leben, ohne zu verschmelzen, ohne im anderen aufzugehen, ohne sich aufzugeben.
Kahlil Gibran (1883-1931) wählte dazu in seinem berühmtesten Buch „Der Prophet“ folgende Sätze:
„… lasst Raum zwischen euch.
Lasst die Winde des Himmels
zwischen euch tanzen.
Liebt einander, aber macht
die Liebe nicht zur Fessel:
lasst sie eher ein wogendes Meer
zwischen den Ufern eurer Seele sein.
Und steht zusammen, doch nicht zu nah:
denn die Säulen des Tempels stehen für sich,
und Eichbaum und Zypresse
wachsen nicht im Schatten des anderen.
Den Zuschlag für den Wert der „Liebe“ auf einer Versteigerung zu erhalten (siehe Teil 1), kann nur die Basis sein. Manchmal bleibt sie auch eine (schöne) Illusion. Wenn wir uns aber immer wieder um die Liebe bemühen – die Liebe zu uns selbst und zu den anderen – kann unsere Liebesfähigkeit erhalten bleiben. Denn das, was wir brauchen, ist nicht die romantische Liebe, sondern die erwachsene – eine Liebe mit Ecken und Kanten.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp