Ich will hier nur sitzen!

Zwischen Hektik und Geduld

Ja, ich gebe es zu: Ich bin immer noch recht ungeduldig. Wenn das eine oder andere sich nicht so schnell entwickelt, wie es mir in den Kram passt, kann ich ungeduldig werden. Wenn Stau auf der Autobahn ist, wenn sechzig E-Mails pro Tag mich an meine Grenzen bringen, wenn die Befundberichte überhandnehmen, kann mir auch schon mal der sprichwörtliche „Geduldsfaden“ reißen.

Wie bei Loriot – im Zeichentrick-Sketch mit Hermann und Berta. Du weißt schon: Hermann, der im Wohnzimmer einfach so im Sessel sitzt und seinen Tagträumen nachgeht. Und auf die Frage von Berta, was er denn mache, antwortet: „Ich sitze hier und mache nichts.“

Diese Klarheit kann Berta überhaupt nicht verkraften. Nach ihrer Lebenshaltung darf Hermann nicht träumen und dösen. Irgendwas wird er ja wohl machen können! – Zwischen der Sesselruhe und der Weißglutattacke vergehen keine dreieinhalb Minuten. Ja, manchmal geht’s sauschnell, bis der Kragen platzt.

Noch schneller fuhr das „HB-Männchen“ aus seiner Haut. Hing direkt unter der Decke. „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“, sprach beruhigend die Stimme in der Werbung.

Ruhe und Entspannung bleiben für viele Menschen aber Fremdworte. Sie halten es in der Wohnung alleine nicht aus. Oder nur, wenn Radio oder Fernseher tönen. Stille verwechseln manche mit ewiger Grabesruhe.

Was steckt dahinter? Wir glauben oft, dass unser Leben so begrenzt ist und wir immer mit Tempo 200 auf der Überholspur fahren müssten, um unser Pensum zu schaffen. Da können auch die penetranten Vorschläge von Berta, spazieren zu gehen, zu lesen, sich zu beschäftigen, zum absoluten Stressfaktor und Ruhekiller werden.

Aber in vielen von uns schlummert wohl eine tiefsitzende Angst, am Ende unseres Lebens eingestehen zu müssen: Ich habe dieses und jenes nicht erreicht, nicht erledigt. Oder: Das Leben (Gott) hat mir zu wenig geboten. Ich bin nicht gesättigt. Ich habe versäumt, meine Träume zu leben. Und – mir wurden zu viele Hindernisse in den Weg gelegt. Das Leben (Gott) hat mich ständig blockiert. Jetzt will ich endlich was vom Leben haben. Das steht mir zu. Jetzt will ich alles! Und zwar sofort! – Reines Mangeldenken!

Das ist nichts Neues. Das besang schon die Rockgruppe Queen: „I want it all, and I want it now.“

Typisch für eine Gesellschaft, die alles für möglich und machbar hält. Komm, Beeilung, das Warten muss ein Ende haben! Nur sitzen und entspannen? NEIN! „Hermann, jetzt unternimm doch mal was!“

Klar ist: Mit Ungeduld erreichen wir gar nichts. Wir können weder die Welt retten noch den Mond beeinflussen. „Wenn Du es eilig hast, geh langsam“, rät eine japanische Weisheit.

Vielleicht hilft auch die Erkenntnis, die die damals noch jungen Rolling Stones auf Langspielplatte pressten: „You can’t always get what you want.“ Du kannst nicht immer haben, was Du Dir wünschst. Diese Einstellung fördert auch die gute Eigenschaft der Demut.

Wenn wir akzeptieren, dass uns hier auf Erden nur ein begrenztes, endliches Leben zur Verfügung steht, in dem wir nicht alles haben und erreichen können, dürfen wir unsere Ungeduld davonziehen lassen. Und mit Hermann antworten: „Ich möchte hier einfach nur sitzen und mich entspannen!“

Ist das nicht eine wunderbare Aussicht?

In herzlicher Verbundenheit

Georg Rupp