Diamanten, so sagt ein Lied, sind die besten Freunde einer Frau. Das wurde schon aus berufenem Munde besungen. Und deshalb liegen sie manchmal strahlend rein oder bedeutungsschwer unter dem Weihnachtsbaum. Auch wir Männer können von Diamanten einiges lernen:
Diamanten sind
- vor 2 Milliarden Jahren
- in 200 km Tiefe
- bei 1250° Celsius
- und ca. 70000 Druckatmosphären
- aus reinem Kohlenstoff entstanden.
Sie brauchten eine lange, eine sehr lange Zeit, nämlich fast 2 Milliarden Jahre, bis sie durch vulkanische Eruptionen an die Oberfläche gelangen konnten. Die ersten Diamanten wurden ca. 800 vor Christus in Indien entdeckt.
Es braucht also Druck, Hitze, Energie und Geduld, um die absolute Klarheit, Schönheit und Brillanz zu erlangen, um aufzusteigen in das Licht des Tages, in die Bewunderung und in die Faszination. Soweit zur Entstehung.
Auch unser Herz ist wie ein Diamant.
Auf geistig-seelischer Ebene bedeutet das: Auch die Qualität unseres Herzens, unser inneres Feuer, braucht eine Zeit der Entwicklung, der Reife, bis die Essenz, unsere eigene Faszination, spürbar wird.
Wie wird ein Rohkristall zum Diamanten?
Auf uns bezogen: Wie bekommen wir Ausstrahlung und Charisma?
Schauen wir uns den Diamanten an: Jeder Diamant will ganz individuell behandelt werden, sonst sperrt er sich. Mit anderen Worten: Wir müssen die Struktur eines Diamanten genau lesen können.
Der deutsche Mystiker und Benediktinerpater Willigis Jäger sagt: In jedem Roh-Diamanten wohnt ein Schmetterling, den wir freisetzen müssen. Dieses Bild zeigt uns:
Wenn wir Menschen zu unserer Essenz kommen wollen, zur wahren Tiefe unserer Talente und zur Größe unserer Fähigkeiten, müssen wir nichts hinzufügen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen etwas wegnehmen! Wir müssen etwas verlieren, um etwas zu gewinnen.
Ein Meister des „Wegnehmens“ war der weltberühmte Künstler Michelangelo Buonarroti. Michelangelo, das große Genie, saß vor dem Marmorblock und begann die Skulptur des Davids zu
gestalten. Nach der Vollendung seines Werkes, bewundert von seinen Zeitgenossen, sprach er: Ich sah im Marmorblock schon zu Beginn den David in seiner ganzen Anmut und Gestalt. Ich musste nur wegnehmen, was nichtDavid war.
Ähnlich verhält es sich mit dem Gleichnis vom Rebstock – Johannes, Kapitel 15. Dort heißt es sinngemäß: Die Zweige, die keine reiche Frucht tragen, schlage sie ab. Dann kann alle Kraft in die Mitte, in den Stamm fließen, und der Rebstock wird – aus seiner Mitte heraus – viele und reiche
Früchte tragen.
Heißt das nicht für uns als Konsequenz:
Vom Rohkristall zur Entwicklung unserer wahren Fähigkeiten kommen wir nicht, indem wir hinzufügen, sondern indem wir wegnehmen, indem wir uns konzentrieren. Indem wir loslassen und entfernen, was uns daran hindert, unsere ganz individuellen Qualitäten voll und ganz zu entfalten. Dies ist nur möglich durch Hingabe und Konzentration auf das, was jedem eigen ist, was jeder in unverwechselbarer Weise leben und geben kann.
Dabei ist eines ganz klar:
Du kannst nur geben, was Du besitzt.
An einem Apfelbaum kann keine Zitrone wachsen. Es geht also nur mit der eigenen Persönlichkeit, nicht gegen sie.
Der Diamant kann nur entlang seiner Kristallstruktur (= Veranlagung) verändert werden. Diamantenschleifer wissen: Ein Diamant „schreit“, wenn er gegen seine Struktur bearbeitet wird.
Menschen, ein Team, eine Gesellschaft, können gegenseitig und füreinander „Diamantenschleifer“ sein. Ein Diamant muss den anderen bearbeiten. Beide reiben sich aneinander, damit sie in eine Form geraten, in der beide Ausstrahlung erlangen.
Seien wir also – im besten Sinne des Wortes – „Schleifer“ füreinander. Helfen wir uns gemeinsam, an der richtigen Stelle, mit nie nachlassendem Mut und mit Herzlichkeit, unsere Talente auszuformen und zum Kern unserer Fähigkeiten zu gelangen. Aber merken wir uns auch: Aus einer Orange kann man keinen Pfirsichsaft pressen.
Wenn der Ältere dem Jüngeren, der Kreative dem sorgfältigen „Arbeiter“, der Gefühlsbetonte dem Verstandesmenschen (und umgekehrt) mit Rat und Tat, mit „Schleifstein“ und Herzlichkeit, mit Förderung und Forderung zur Seite steht, werden wir unser inneres Licht, unseren innewohnenden „Diamanten“ nach außen tragen und erstrahlen lassen können.
Nur wenn wir von innen strahlen, haben wir Ausstrahlung. Nur dann können wir andere für uns einnehmen und für das, was uns am Herzen liegt: Die Lebensfreude, die Kultur, die Freundschaft und die Dankbarkeit.
Hätten Sie gedacht, dass wir von einem Diamanten soviel lernen können?
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp