wooden chair on a white wall studio

Kauf Dir einen Sorgenstuhl 

Teil 1

„Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurch finden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“ (Dietrich Bonhoeffer)

Jana (Name geändert), eine Patientin im Alter von 48, greift sich in den Nacken. „Ich hab immer so Nackenprobleme“, sagt sie. „Ich kann mich nicht drehen. Ich weiß nicht, wohin ich gucken soll.“

‚Starr geradeaus?‘, fährt es mir durch den Kopf. 

„Meine Mutter war ihr Leben lang der Ansicht, dass man über Gefühle nicht spricht.“ Klar, Gefühle waren zu jeder Zeit nur etwas für die wirklich Mutigen. Stand auf einer Spruchkarte. Ich schaue gerne Spruchkarten. Claudia weiß, vor jedem Schreibwarengeschäft bleibe ich stehen und drehe den Kartenständer einmal um die Achse. „Ihnen haben aber viele gefallen!“ sagt später die Kassiererin. 

Ich finde positive, lebensbejahende Gedanken einfach wundervoll. „Nimm Dir Zeit, um froh zu sein, es ist die Musik der Seele.“Ist so eine Karte nicht schön?! 

Jana, meiner Patientin, hätte ich gerne die Einstellung vermittelt: „Unser Leben ist so leicht wie eine Pusteblume: Wenn wir uns fallen lassen, lernen wir selber fliegen!“ 

Das geht natürlich nicht, weil dieser Satz sie nicht dort abholt, wo sie sich gerade selbst sieht und fühlt. Die Grübeleien gehen ja nicht von alleine weg. Dieses Gedankenkarussell: „Ich brauche Kontrolle. Die Nackenschmerzen kann ich nicht beeinflussen. Deshalb fühle ich mich hilflos und ausgeliefert.“ 

So was rattert im Kopf herum. Diese Sprüche hat sie ja auch sehr konsequent und über viele Jahre intensiv trainiert. Immer und immer wieder. Das reicht dann bis in den Keller der absoluten Selbstzweifel.

Da hilft nichts … außer: Gegentraining mit der „Sorgenstuhl-Methode“. Und die funktioniert so: Du brauchst 15 Euro und vier Wochen Zeit, anfangs 2 x 10 Minuten pro Tag.

Wenn das nicht möglich sein sollte (15 Euro zu viel Geld, 20 Minuten nicht durchführbar), dann lass besser die Finger davon. Ich habe diese Methode vor ungefähr 50 Jahren in meinem Psychologiestudium kennen- und schätzen gelernt. Aber Vorsicht: Wenn Du 15 (vielleicht im Sonderangebot auch nur 10) Euro nicht investieren möchtest, dann grüble einfach weiter. Dann ist das ja vielleicht Deine Bestimmung.

Du willst investieren? Gut. Dann kauf Dir gleich morgen von den 15 (vielleicht auch nur 10) Euro einen einfachen, unbequemen Hocker ohne Rücken- und Armlehne. Es gibt solche mit vier Metallbeinen und aufgeschraubtem Holzsitz. Das ist für die nächsten vier Wochen Dein „Sorgenstuhl“.

Warum so billig, fragst Du Dich? Du sollst ihn natürlich nach vier Wochen wegwerfen oder im Keller deponieren können. Auf diesem Sorgenstuhl wirst Du in den nächsten 28 Tagen alle Deine Sorgen bündeln und ausleben. (Verstehst Du jetzt, warum er unbequem und nur begrenzt haltbar sein soll?! Du wirst später Deinen „Sorgen-Sammel-Stuhl“ wohl nicht in Deiner Nähe aufbewahren wollen…)

Also, wie gehst Du vor?

Platziere Deinen „Sorgenstuhl“ an der unattraktivsten Stelle Deiner Wohnung. Empfehlenswert ist eine Ecke, in der Du sonst nie sitzt. Wenn Du ihn benutzt, setzt Du Dich am besten mit Deinem Gesicht bewusst zur Wand. Da sollte natürlich kein schönes Foto hängen, sondern Langeweile entstehen.

Die Übung in der 1. Woche: Vom 1. bis zum 8. Tag nimmst Du Dir eine 10-minütige, feste Zeit am Vormittag (beispielsweise von 6.40 Uhr bis 6.50 Uhr) und eine feste Zeit am frühen Abend (beispielsweise 18.20 Uhr bis 18.30 Uhr) vor.

7 Tage lang setzt Du Dich jetzt um 6.40 Uhr und um 18.20 Uhr mit dem Gesicht zur Wand auf Deinen Hocker, und beginnst Dir über alles und jedes Gedanken zu machen. Alle Ängste und alle Sorgen sind erwünscht,alle Grübeleien, jeder Selbst- und Fremdvorwurf, alle überzogenen und unerfüllten Erwartungen an Gott und die Welt oder auch an Dich selbst. Alle Bewertungen wie: „Ich bin sowieso nichts wert!“, „Keiner liebt mich!“, „Alle anderen sind besser als ich…“

Oder auch: „Was geschieht mit mir, wenn die Panikattacke kommt?“ – „Wenn im Kino Feuer ausbricht?“ – „Wenn ich den Job verliere?“ – „Ein Dachziegel auf meinen Kopf fällt?“ – „Ich aus der Niedergeschlagenheit nicht mehr herausfinde?“ …

Male Dir alle Katastrophen, die Dir widerfahren könnten, in bunten Farben aus. Spüre genau hin: Wo sitzt die Angst in Deinem Körper? Die Panik? Die Depression? Die Wut? Die Ohnmacht?

Wird fortgesetzt