Der Benediktinerpater Dr. Elmar Salmann umschreibt die Weisheit mit den Worten: „Zu ihr gehört die umsichtige, vor- und nachsichtige Versöhnung mit den Widersprüchen menschlichen Lebens. Aber auch das Staunen, die Freude und die gelassene Heiterkeit, dass dieses Leben gelingen kann.“
Weisheit kann als Früh- und Spätprodukt des Lebens bezeichnet werden. Kinder haben oft eine entwaffnende Intuition. Und Ältere sind offener dafür, den „Geist der Weisheit“ in sich aufzunehmen und wirken zu lassen.
In der chinesischen Kultur heißt es scheinbar lapidar (aber wahr): „Die Weisheit des Lebens besteht im Ausschalten der unwesentlichen Dinge.“
Religiös betrachtet, spielt die Weisheit in der zeitlosen Gegenwart des göttlichen Seins schon vor dem Entstehen des Universums eine Rolle. (Siehe:Salomon im Buch der Weisheit, ca. 150 Jahre vor unserer Zeitrechnung.)
Weisheit umfasst aber auch die spielerische Freude an Kreativität und Geist.
Und nochmals Pater Elmar: „Weisheit ist eine ‚Fassung‘ des widersprüchlichen Lebens, damit wir ‚Fassung‘ bewahren.“
Die Liebe zur Weisheit findet sich noch heute im weiblichen Vornamen Sophia (griechisch: Liebe zur Weisheit). Soweit ein paar Akzente.
Ein Beispiel aus der Praxis: Der Patient Jochen K. (Name geändert) war sauer, dass sein Leben, wie er sagte, komplett aus dem Ruder gelaufen sei. Zuletzt noch durch eine Autofahrerin, die seine Vorfahrt nicht beachtet und sein Auto schräg hinten rechts erwischt habe. Er habe seit dem Unfall Schmerzen in den Armen. Alle Mediziner hätten versagt. Keiner hätte etwas gefunden. Alle behaupteten, er bilde sich das ein. „So eine Unverschämtheit!“, wetterte er herum. Das passe zu ihm. Das ganze Leben sei unter dem Strich absolut nicht so verlaufen, wie er sich das gedacht habe. Und vor allem: Wie es geplant war. Er hätte so viele Pläne gehabt. Und jetzt hätte er die Kontrolle vollkommen verloren. Das könne er nicht ertragen. „Deshalb schuldet mir das Leben (die Weisheit, Gott) noch so viel!“
Zu seinen Klagen und Forderungen fallen mir folgende Gedanken ein:
John Lennon, der Mitbegründer der Popband The Beatles, wird mit den Worten zitiert: „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen“.
Wir alle überfrachten das Leben mit unseren Erwartungen. Mit unseren Hoffnungen auf den Lottogewinn oder den Traumpartner. Mit unserem grenzenlosen Wunsch nach Erlösung von allen Übeln.
Wir überfrachten unser Leben. Maßlos. Wir setzen Endliches (unser Leben) unter unendlichen Druck. Auch das Scheitern, das „Danebengehen“, das „Unerfüllte“ sollten wir annehmen, wenn unser Leben gelingen soll.
Wir haben keinen Überblick.Wir haben keine Kontrolle. Weder über uns noch über die komplexen Zusammenhänge des Lebens. Das ist so. Auch wenn die Sängerin Zoe Wees im Text „I don’t wanna loose control“ gegen ihre eigenen Ängste ankämpfen will. Aus Erfahrung wissen wir: Die Akzeptanz einer schwierigen Lebenssituation im Hier und Jetzt ist gesünder und weiser als alle Versuche, das Leben unter die Kontrolle des Verstandes zu bringen.
Zur Weisheit gehört also auch ein manchmal melancholisches, vor allem aber auch ein heiteres Einverstandensein mit der Begrenztheit unserer Möglichkeiten und der Endlichkeit unseres Lebens.
Die eigenen Sichtweisen zuhinterfragen, kann weise sein. Auch: Die Gedankenwelt des Anderen nachzuvollziehen, ohne zu ihm überzulaufen.
Was Jochen K. in seinem Leben nie lernen konnte: Die spielerische Freude der Weisheit. Die Befreiung der Seele, die eine indianische Weisheit der Apachen vermittelt, und die lautet: „Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.“
Wenn wir uns die Zeit nehmen, unsere eigenen Schuhe öfters mal zur Seite zu stellen und – frei von Vorurteilen – auch in die Schuhe des Anderen zu schlüpfen, haben wir Anteil an den unterschiedlichen Blickwinkeln dieser Welt. Dann verstehen wir mehr und atmen die Frische einer übergeordneten Weisheit.
In herzlicher Verbundenheit
Georg Rupp
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